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Der Klimawandel führt durch steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsverteilung und häufigere extreme Wetterereignisse wie Starkregen, Stürme, Hitzewellen und Dürreperioden zu erheblichen Veränderungen der Lebensbedingungen vieler Arten. Dies hat zur Folge, dass sich die Verbreitungsgebiete vieler Arten verschieben und sich ihre saisonale Verbreitung und die Zusammensetzung der Artengemeinschaften ändern. Infolge der geringeren klimatischen Wasserbilanz im Sommer sind Arten in Feuchtgebieten und Gewässern besonders gefährdet. Sogar Laubbäume wurden durch die Sommerdürre 2018 und 2019 in Deutschland stark geschädigt oder beeinträchtigt.
Bei einigen Arten, die früher gemeinsam im selben Lebensraum vorkamen, wie dem Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris teleius; ein Schmetterling) und der Nahrung seiner Raupen, dem Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis), verlagern sich ihre jeweiligen klimatisch geeigneten Lebensräume an unterschiedliche Orte. Dies führt zu einer räumlichen Entkopplung und damit zu einem Rückgang der Schmetterlingspopulation. Ähnlich verhält es sich mit der zeitlichen Entkopplung, z. B. wenn Insekten früher zu fliegen beginnen, bevor die Blumen, von denen sie sich ernähren, blühen, oder beim Kuckuck, dessen Wirtsvögel früher mit der Brut beginnen, als der Kuckuck aus seinem Winterquartier zurückkehrt. Außerdem können Arten aus wärmeren Regionen, auch solche mit invasivem Potenzial, einwandern und die Beziehungsstruktur zwischen den Arten verändern.
Die Natur hat großes Potenzial, den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken. Es gibt zudem eine Fülle von „naturbasierten Lösungen“, die nicht nur förderlich für die Anpassung an den Klimawandel sind, sondern auch vielfältige Synergieeffekte bieten. Projekte zur Wiederherstellung von Überschwemmungsgebieten beispielsweise senken bei extremen Hochwasserereignissen effektiv den Wasserstand in Flüssen und tragen darüber hinaus zur Speicherung der Nährstoffe bei.
Weltweit sind naturbasierte Lösungen bereits ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels.
Die Wiederherstellung von Salzwiesen trägt in gemäßigten Zonen zum Schutz der Küsten bei, während in tropischen Küstenregionen die Auswirkungen von Überschwemmungen durch die Wiederherstellung von Mangroven massiv reduziert werden können. Ebenso kann die Wiederbefeuchtung von Torfgebieten die Auswirkungen von Dürren abmildern. Wenn solche naturbasierten Lösungen durchdacht eingesetzt werden, können sie erhebliche sozioökonomische Vorteile mit einem Nettonutzen für die Natur und Biodiversität verbinden.
Weltweit sind naturbasierte Lösungen bereits ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels. Das Wissen, die Daten und die Instrumente für ihre Umsetzung stehen uns zur Verfügung.
Um die Widerstandsfähigkeit der Natur gegenüber dem Klimawandel zu verbessern, ist ein kohärentes und gut zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten erforderlich. Das europäische Natura-2000-Netz von Schutzgebieten ist ein wichtiges Rückgrat für den Schutz von Arten und Lebensräumen.
Diese Schutzgebiete müssen „fit für den Klimawandel“ gemacht werden, damit sie ihre Funktion weiterhin erfüllen können. Das bedeutet, dass bestehende Belastungen, zum Beispiel durch intensive Landnutzung, wie hohe Nährstoff- und Pflanzenschutzmitteleinträge oder Störungen des Wasserhaushalts, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Schutzgebieten abgebaut werden müssen. Die Widerstandsfähigkeit von Schutzgebieten muss aber auch durch zusätzliche präventive Maßnahmen, beispielsweise eine verbesserte Wasserbewirtschaftung innerhalb des Gebietes und auf Landschaftsebene, gestärkt werden.
Um empfindlichen Arten alternative Lebensräume mit geeigneten (mikro-) klimatischen Verhältnissen zu bieten und es ihnen zu ermöglichen, diese Lebensräume zu erreichen, müssen Schutzgebiete erweitert werden, um ein breiteres Spektrum an Höhenlagen und Expositionen abzudecken. Dabei muss die Vernetzung dieser Gebiete auch verbessert werden. Außerdem müssen die Schutzgebiete einem adaptiven Management unterliegen, um die Schutzziele an den zeitlichen Ablauf der durch den Klimawandel verursachten Veränderungen anpassen zu können.
Ebenso wichtig ist es, die Landnutzung als Ganzes zu betrachten. Die Bewirtschaftungskonzepte der Forst- und Landwirtschaft müssen angepasst werden, um die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. So müssen beispielsweise die derzeitigen waldbaulichen Bewirtschaftungskonzepte, Steuerungsinstrumente und Planungsansätze überarbeitet werden, damit sie den Herausforderungen des Klimawandels besser gerecht werden können. Es muss mehr Wert darauf gelegt werden, die Selbstorganisationsfähigkeit der Ökosysteme zu stärken, beispielsweise durch die Vermeidung der Einführung invasiver gebietsfremder Arten, die Verwendung heimischer Baumarten oder die Anwendung naturnaher Bewirtschaftungskonzepte.
© Máté Ladjánszki, REDISCOVER Nature /EEA
Auch wenn der Klimaschutz derzeit politisch an Bedeutung gewinnt, dürfen wir nicht vergessen, dass Klimaschutz, Anpassung und Erhalt der Biodiversität nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.
Die Energiewende in Deutschland ist ein gutes Beispiel für die Chancen, aber auch für die Herausforderungen, die sich aus der gleichzeitigen Senkung des Energiebedarfs, der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen und der Berücksichtigung von Naturschutzaspekten ergeben. Wir müssen die Synergien nutzen, die sich aus kombinierten Maßnahmen gegen den Klimawandel und den Verlust an Biodiversität ergeben.
Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern und Grünland beispielsweise bietet beides: Ökosystemleistungen wie die Speicherung von Kohlenstoff und Biomasse für die Produktion von Material und Energie. Wenn wir uns einseitig auf kurzfristige Klimaschutzmaßnahmen konzentrieren, z. B. die Steigerung der Biomasseproduktion als Ersatz für fossile Energieträger, gefährden wir möglicherweise die Biodiversität unserer Wälder und verringern damit wahrscheinlich ihre Fähigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen.
Naturschutz und nachhaltige Bewirtschaftungsstrategien müssen der Dynamik und Unvorhersehbarkeit des Klimawandels und den komplexen Reaktionen ökologischer Systeme auf solche Veränderungen besser Rechnung tragen. Dies bedeutet, dass sich der Naturschutz von seiner traditionellen Ausrichtung auf die Erhaltung und den Schutz starrer Objekte lösen und zunehmend dynamische Prozesse zulassen und die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen fördern muss. Im Falle der Forstwirtschaft bedeutet dies eine Abkehr vom traditionellen, vorausschauenden Bewirtschaftungsparadigma hin zu einem eher prozessorientierten Paradigma einer sich allmählich anpassenden Natur.
Verschiedene Projekte zur Renaturierung von Überflutungsgebieten haben sich als sehr erfolgreich erwiesen, wenn es darum geht, die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegenüber den Folgen des Klimawandels zu stärken, z. B. das groß angelegte Naturschutzprojekt „Mittlere Elbe“ und das Projekt zur Renaturierung von Überflutungsgebieten an der Elbe im Gebiet „Hohe Garbe“. Große Überflutungsgebiete wurden durch eine Deichrückverlegung oder einen Deichschlitz wieder an die Elbe angebunden und unterliegen heute wieder einem naturnahen Überflutungsschema.
Durch diese Maßnahmen wurde nicht nur die Überflutungsfläche und damit der Überschutzbereich der Elbe vergrößert, was zu einer Absenkung der Wasserhöhe bei Hochwasserereignissen führt, sondern diese Lebensräume sind auch widerstandsfähiger gegen Wasserknappheit und Dürreperioden geworden.
Dr Beate Jessel
Ehemalige Präsidentin des deutschen Bundesamtes für Naturschutz
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