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Gesundheit und Umwelt, einschließlich Luftverschmutzung und Lärmbelästigung — Die Arbeit der EUA im Fokus

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Article Veröffentlicht 11.02.2021 Zuletzt geändert 11.05.2021
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Photo: © Photo: Joshua Earle on Unsplash
Luftverschmutzung, Lärmbelästigung und die Folgen des Klimawandels sind wesentliche Risiken für die allgemeine Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden der Menschen in Europa. Wir sprachen mit der Leiterin der Gruppe Luftverschmutzung, Umwelt und Gesundheit, Catherine Ganzleben, dem Sachverständigen der EUA für Luftqualität, Alberto González, und der Sachverständigen der EUA für Lärmbelästigung, Eulalia Peris, um Näheres darüber zu erfahren, was die EUA unternimmt, um zu einer besseren Kenntnis dieses wichtigen Tätigkeitsbereichs zu gelangen.

Catherine, warum befasst sich die EUA mit dem Bereich Gesundheit und Umwelt? Welche Risiken beeinträchtigen unser Wohlbefinden am meisten?

Die menschliche Gesundheit und ein intaktes Ökosystem sind untrennbar miteinander verbunden. Unser Körper braucht jeden Tag saubere Luft, sauberes Wasser und unbelastete Lebensmittel, um funktionieren zu können. Als Menschen und als Gemeinschaften geht es uns gut, wenn wir uns in der Natur aufhalten, wenn wir uns bewegen, wenn wir mit anderen Menschen zusammenkommen und wenn wir ausspannen. Ist jedoch die Umwelt, in der wir leben, arbeiten, zur Schule gehen oder spielen, belastet, nimmt sowohl unser Körper als auch unsere Seele Schaden. Naturschutz bedeutet nicht, den Planeten zu schützen. Es geht darum, Gesundheit und Wohlbefinden für uns und unsere Kinder zu gewährleisten. Die Vermeidung von Verschmutzung ist eine Maßnahme zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung.

Die größten unmittelbaren Gesundheitsrisiken sind Luftverschmutzung und Lärm, vor allem in Städten. Langfristig stellt der Klimawandel eine existenzielle Bedrohung unserer Lebensweise dar. Hitzewellen, Waldbrände und Hochwasser führen z. B. zum unmittelbaren Verlust an Menschenleben; zu den längerfristigen Folgen gehören Veränderungen der Witterung, die die Lebensmittelerzeugung gefährden. Zudem beobachten wir Verschiebungen in der Verteilung von Infektionskrankheiten, da die Insekten, die diese Krankheiten übertragen, ihren Lebensraum infolge der Klimaerwärmung nach Norden verlagern. Wir wissen auch, dass bestimmte chemische Stoffe gesundheitsgefährdend sind.

Was hat die EUA bisher in diesem Bereich unternommen?

Wir arbeiten an einem besseren Verständnis, wie unsere Umwelt unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beeinflusst. Wir tragen Belege über die Exposition von Menschen in ganz Europa gegenüber mehreren Umweltrisiken zusammen, unter anderem gegenüber Luftverschmutzung, Lärm, Klimawandel und chemischen Stoffen. In unserem aktuellen Bericht Healthy environment, healthy lives: how the environment influences health and well-being in Europe — European Environment Agency (Gesunde Umwelt, gesundes Leben: wie die Umwelt die Gesundheit und das Wohlbefinden in Europa beeinflusst, Europäische Umweltagentur) haben wir die neuesten Fakten zusammengestellt und die Auswirkungen auf die Gesundheit untersucht. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jeder achte Todesfall in Europa auf Umweltverschmutzung zurückzuführen ist. Diese Todesfälle sind vermeidbar und könnten durch Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltqualität vermieden werden.

Darüber hinaus untersuchen wir, wie die Umweltrisiken in der gesamten Gesellschaft verteilt sind, und stellen fest, dass gerade die besonders schutzbedürftigen Menschen unserer Gesellschaft am stärksten von belastenden Umweltfaktoren betroffen sind. Sozial benachteiligte Gemeinschaften sind in höherem Maße Belastungen ausgesetzt. Ärmere Menschen, Kinder, die älteren Menschen und Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind von umweltbedingten Gefährdungen der Gesundheit stärker betroffen als andere Menschen. Diese ungleiche Verteilung der Risiken verstärkt noch die bestehenden Ungleichheiten im Gesundheitsbereich in Europa.

Wir betrachten andererseits aber auch die Vorteile, die die Natur bringt. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Europa hat Zugang zu Trinkwasser von hoher Qualität; die Badegewässer in Europa sind von ausgezeichneter Qualität und bieten Gelegenheit für sportliche Betätigung und für Erholung.

Inwiefern unterstützt die Tätigkeit der EUA den europäischen Grünen Deal?

Die Arbeit der EUA im Bereich Umwelt und Gesundheit besteht darin, die verfügbaren Fakten zu gesundheitlichen Auswirkungen der Verschmutzung, des Klimawandels und der Verschlechterung des Ökosystems in ganz Europa zusammenzutragen. In unserem aktuellen Bericht Die Umwelt in Europa — Zustand und Ausblick 2020 (SOER 2020) beschreiben wir, wie die Verschlechterung der Umwelt durch unsere derzeitige Lebensweise in Bezug auf das, was wir erzeugen und konsumieren, durch unseren Energieverbrauch, unser Mobilitätsverhalten und unseren Lebensmittelsektor begünstigt wird. Diese Erkenntnisse werden bei Maßnahmen berücksichtigt, die auf eine Veränderung dieser Dynamik durch eine Umstellung im Rahmen des europäischen Grünen Deals abzielen.

Alberto, warum ist Luftqualität ein so wichtiger Faktor für die Gesundheit der Menschen in Europa?

Die Luftverschmutzung gilt als das größte Umweltrisiko in Europa. Unseren aktuellen Schätzungen zufolge waren 2018 über 400 000 vermeidbare Todesfälle in Europa auf die Exposition gegenüber Feinstaub (dem Schadstoff mit den schwerwiegendsten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit) zurückzuführen. Die Hauptursachen dieser Todesfälle waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Krebs. Abgesehen von diesen äußerst schwerwiegenden Erkrankungen gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass die Exposition gegenüber Luftverschmutzung mit anderen Auswirkungen auf die Gesundheit in Zusammenhang steht. Als Beispiele können wir das neue Auftreten des Diabetes Typ 2, systemische Entzündungen oder psychische Erkrankungen wie Alzheimer und Demenz anführen.

Die Luftverschmutzung wirkt sich ebenfalls nachteilig auf die Umwelt aus, indem sie z. B. in bestimmten Ökosystemen die biologische Vielfalt reduziert und das Wachstum von Vegetation und Kulturpflanzen beeinträchtigt. Auch in der bebauten Umwelt machen sich die Folgen mit Schäden beispielsweise an unserem Kulturerbe bemerkbar.

Inwiefern hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verbessert? Welche Probleme müssen noch in Angriff genommen werden?

Die Umsetzung von politischen Strategien und Maßnahmen der EU sowie von nationalen und lokalen politischen Strategien und Maßnahmen hat zu einer Verringerung der Emissionen aller Luftschadstoffe geführt, einer Verringerung der Exposition der Bevölkerung, die wiederum die Auswirkungen auf die Gesundheit reduzierte.

Die Emissionen unterscheiden sich nach Schadstoffen und Wirtschaftszweigen. Landwirtschaft und Brennstoffverbrauch für die Beheizung von Wohngebäuden sind zwei Beispiele für die Bereiche mit dem größten Potenzial für weitere Emissionssenkungen. Ein weiteres nach wie vor bestehendes Problem ist, dass trotz stetiger Verringerungen die Zahl der vermeidbaren Todesfälle immer noch unerträglich hoch ist. Der zunehmende Einfluss des Klimawandels auf die Erzeugung einiger Schadstoffe wie z. B. Ozon ist ebenso Anlass zur Besorgnis wie die Notwendigkeit, bei den politischen Strategien zur Bekämpfung sowohl der Luftverschmutzung als auch des Klimawandels Synergieeffekte anzustreben.

Eulalia, warum wird der Lärmbelästigung oft keine Beachtung geschenkt, und was unternimmt die EUA auf diesem Gebiet?

Viele Menschen erkennen nicht, dass Lärmbelästigung ein großes Problem ist. Sie wirkt sich nachteilig auf unsere Gesundheit aus. Bei gesundheitsgefährdender Lärmbelästigung denken wir an einen Konzertbesuch oder dass wir uns in der Nähe einer lauten Maschine befinden, wodurch unser Gehör Schaden nimmt. Die Menschen sind sich jedoch nicht der Tatsache bewusst, dass konstante Verkehrslärmpegel zum Beispiel andere Auswirkungen haben können, die nicht mit Hörschäden in Zusammenhang stehen, und dass es sich hierbei um schwere Erkrankungen wie ischämische Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Diabetes usw. handelt. Die Behörden wissen, dass Lärm schadet; deshalb gibt es seit 2002 eine europäische Richtlinie über Umgebungslärm, und deshalb hat die WHO neue Leitlinien herausgebracht. Das Problem besteht eher darin, dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen und die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel bereitstehen müssen. Es ist ein schwieriges Thema, weil z. B. immer mehr Menschen in Städten und am Stadtrand leben und die Nachfrage nach Mobilität zugenommen hat.

Die Agentur widmet sich bei ihren Arbeiten zur Lärmthematik schwerpunktmäßig der Beurteilung der Auswirkungen der Lärmbelästigung auf europäischer Ebene. Wir prüfen die Auswirkungen der Exposition gegenüber Lärm auf die Gesundheit der europäischen Bevölkerung und legen dabei die neuesten europäischen Daten zugrunde.

Welches sind die wichtigsten Ergebnisse Ihres Briefings? Inwiefern unterscheidet sich dieses Briefing von dem Bericht, den die EUA in diesem Jahr bereits herausgegeben hat?

Der EUA-Bericht Environmental Noise in Europe (Umgebungslärm in Europa) erschien im März. Heute nun legen wir ein Briefing über die gesundheitlichen Risiken vor, die durch Umgebungslärm in Europa verursacht werden. In diesem Briefing werden Indikatoren beschrieben, die dafür verwendet werden, die Entwicklung künftiger Zielvorgaben für die Reduzierung der gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm zu unterstützen. In Bezug auf bestimmte gesundheitliche Auswirkungen ist die chronische Exposition gegenüber Lärm, unseren Schätzungen zufolge, mitverantwortlich für 48 000 neue Fälle von Herzerkrankungen und 12 000 vorzeitige Todesfälle, die sich jedes Jahr in Europa ereignen. Darüber hinaus leiden 22 Millionen Menschen an chronischer starker Belästigung und 6,5 Millionen Menschen an chronischer schwerer Schlafstörung.

Eine Frage an Sie alle: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Arbeit in Ihren Bereichen in den kommenden Jahren entwickeln?

Wir gehen davon aus, dass die EUA ihre Aktivitäten in diesen Bereichen intensivieren wird. Wir erhoffen uns von dem europäischen Grünen Deal neue Impulse in Europa, und wir hoffen, dass diese Initiative das Bewusstsein für ökologische Probleme wie Luftverschmutzung und Lärmbelästigung schärfen wird und den Anstoß für bessere politische Strategien geben wird.

Außer dem Grünen Deal sind die Leitlinien zu Umgebungslärm zu erwähnen, die die Weltgesundheitsorganisation vor kurzem vorgelegt hat, und die neuen Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation zu Luftqualität, die demnächst noch erscheinen werden. Wir gehen davon aus, dass die Problematik der Lärmbelästigung und der Luftverschmutzung durch die Veröffentlichung dieser Leitlinien stärker in den Vordergrund treten wird.

 

Catherine Ganzleben

Catherine Ganzleben
Leiterin der Gruppe — Luftverschmutzung, Umwelt und Gesundheit

 

Alberto Gonzalez

Alberto González
Sachverständiger der EUA für Luftqualität

 

Eulalia

Eulalia Peris
Sachverständige der EUA für Lärmbelästigung


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