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Wassernutzung in Europa – Quantität und Qualität stehen vor großen Herausforderungen

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Article Veröffentlicht 19.11.2018 Zuletzt geändert 29.08.2023
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Photo: © Artur Preciuk, WaterPIX / EEA
Die Europäer nutzen jährlich Milliarden Kubikmeter Wasser nicht nur als Trinkwasser, sondern auch in der Agrarwirtschaft, der Produktion, zur Heizung und Kühlung, im Tourismus und in anderen Dienstleistungsbereichen. Mit Tausenden von Süßwasserseen, Flüssen und unterirdischen Wasserquellen mag die Wasserversorgung in Europa grenzenlos erscheinen. Doch Bevölkerungswachstum, Verstädterung, Umweltverschmutzung und die Auswirkungen des Klimawandels, wie anhaltende Dürren, belasten die Wasserversorgung Europas und seine Qualität erheblich.

Die Wasserknappheit macht weltweit zunehmend Schlagzeilen, und Städte wie Kapstadt in Südafrika und Kairo in Ägypten stehen gravierenden Engpässen in der Wasserversorgung gegenüber, entweder bereits heute oder es ist zu erwarten. Angesichts der vielen großen Flüsse und Seen in Europa könnte Europa von Dürren oder Wasserknappheit unberührt erscheinen. Dies ist mitnichten der Fall. Tatsächlich ist Wasserknappheit ein Problem, von dem Millionen Menschen auf der ganzen Welt betroffen sind, darunter über 100 Millionen Menschen in Europa.

Ähnlich wie in vielen anderen Regionen der Welt nehmen auch in Europa die Sorgen um Wasserknappheit und -mangel zu, da das Risiko von Dürren aufgrund des Klimawandels steigt. Etwa 80 % der europäischen Süßwassernutzung (als Trinkwasser und andere Nutzungen) stammen aus Flüssen und Grundwasser, was diese Quellen extrem anfällig für Gefahren durch Übernutzung, Umweltverschmutzung und Klimawandel macht.

Wasservorrat unter Druck

Wie jede andere lebenswichtige Ressource oder jeder lebende Organismus kann Wasser knapp werden, besonders wenn die Nachfrage nach Wasser das Angebot übersteigt oder eine schlechte Qualität seine Nutzung einschränkt. Klimabedingungen und Wasserbedarf sind die beiden Schlüsselfaktoren für Wasserknappheit. Dieser Druck auf das Wasser führt zu einer Verschlechterung der Süßwasserressourcen in Bezug auf die Quantität (Übernutzung oder Dürre) und die Qualität (Verschmutzung und Eutrophierung).

Trotz der relativen Fülle an Süßwasserressourcen in Teilen Europas sind die Wasserverfügbarkeit und die sozioökonomische Aktivität ungleichmäßig verteilt, was zu großen Unterschieden hinsichtlich der Wasserknappheit in den einzelnen Jahreszeiten und Regionen führt. Der Wasserbedarf in ganz Europa ist in den letzten 50 Jahren stetig gestiegen, unter anderem aufgrund des Bevölkerungswachstums. Dies hat europaweit zu einem Rückgang der erneuerbaren Wasserressourcen pro Kopf um insgesamt 24 % geführt. Dieser Rückgang ist laut einem EUA-Indikator vor allem in Südeuropa zu beobachten, was vor allem auf geringere Niederschläge zurückzuführen ist. So waren beispielsweise im Sommer 2015 die erneuerbaren Süßwasserressourcen (wie Grundwasser, Seen, Flüsse oder Stauseen) aufgrund eines Netto-Niederschlagsrückgangs von 10 % um 20 % geringer als im entsprechenden Zeitraum des Jahres 2014. Auch die steigende Zahl von Menschen, die in die Städte ziehen, hat die Nachfrage beeinflusst, vor allem in dicht besiedelten Gebieten.

Die EUA schätzt, dass etwa ein Drittel des EU-Gebiets dauerhaft oder vorübergehend der Belastung durch Wasserknappheit ausgesetzt ist. Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien haben in den Sommermonaten bereits schwere Dürren erlebt, aber auch in den nördlichen Regionen, einschließlich Teilen des Vereinigten Königreichs und Deutschlands, wird Wasserknappheit ein Thema. Agrarflächen mit intensiver Bewässerung, touristisch beliebte Inseln in Südeuropa und große Ballungsräume gelten als die größten Problemgebiete für Wasserknappheit. Es ist zu erwarten, dass die Wasserknappheit aufgrund des Klimawandels zunehmen wird.

Verbesserungen bei der Wassereffizienz und der Bewirtschaftung der Wasserversorgung haben jedoch seit dem Jahr 1990 zu einem Rückgang der Gesamtwasserentnahme um 19 % geführt. Jüngste Fallstudien, die in einem EUA Briefing analysiert wurden, haben ergeben, dass die EU-Wasserpolitik die Mitgliedstaaten ermutigt, bessere Praktiken der Wasserwirtschaft anzuwenden, insbesondere wenn es um die Wasserpreisgestaltung in Kombination mit anderen Maßnahmen wie Sensibilisierungskampagnen zur Förderung der Wassereffizienz geht, die durch den Einsatz von Wasserspareinrichtungen erreicht werden kann.

Wasser in der Wirtschaft – Nutzer und Ausbeuter?

Alle Wirtschaftszweige nutzen Wasser – wenn auch in unterschiedlicher Weise und Menge ([1]). Der Zugang zu ausreichend Süßwasser ist für viele der wichtigen Wirtschaftssektoren und Gemeinschaften, die von diesen Wirtschaftszweigen abhängig sind, von wesentlicher Bedeutung. Dennoch bleibt die Frage, ob unser Umgang mit Wasser in der Wirtschaft nachhaltig ist.

Die Wirtschaftstätigkeit in Europa verbraucht im Durchschnitt rund 243 000 Kubikhektometer ([2]) Wasser pro Jahr gemäß dem Wasserverbrauchsindex der EUA. Obwohl der größte Teil dieses Wassers (über 140 000 Kubikhektometer) in die Umwelt zurückgeführt wird, enthält es häufig Verunreinigungen oder Schadstoffe, einschließlich gefährlicher Chemikalien.

Die Agrarwirtschaft verbraucht am meisten Wasser: rund 40 % des gesamten Wasserverbrauchs pro Jahr in Europa. Trotz Effizienzsteigerungen in diesem Sektor seit den 1990er Jahren wird die Agrarwirtschaft auch in den kommenden Jahren der größte Verbraucher sein und die Wasserknappheit in Europa noch verstärken. Der Grund dafür ist, dass immer mehr Ackerland bewässert werden muss, vor allem in den südeuropäischen Ländern.

Wenngleich nur etwa 9 % der gesamten Agrarflächen Europas bewässert werden, machen diese Flächen immer noch etwa 50 % des gesamten Wasserverbrauchs in Europa aus. Im Frühjahr kann dieser Prozentsatz auf über 60 % ansteigen, um den Pflanzen nach dem Anbau und besonders begehrten und teureren Obst- und Gemüsesorten wie Oliven oder Orangen, die viel Wasser zum Reifen benötigen, beim Wachstum zu helfen. Die Kosten der Bewässerung dürften in den kommenden Jahren steigen, wenn die Vorhersagen von geringeren Niederschlägen und einer längeren thermischen Vegetationsperiode aufgrund des Klimawandels zutreffen.

Überraschenderweise wird bei der Energiegewinnung auch viel Wasser verbraucht, was rund 28 % des jährlichen Wasserverbrauchs ausmacht. Das Wasser wird überwiegend zur Kühlung in nuklearen und mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken verwendet. Es wird ebenfalls zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft genutzt. Auf den Bergbau und das produzierende Gewerbe entfallen 18 %, gefolgt von den Haushalten mit einem Anteil von rund 12 %. Durchschnittlich werden 144 Liter Wasser pro Person und Tag an europäische Haushalte geliefert.

Der Sektor mit dem größten Wasserverbrauch ist regional unterschiedlich. Insgesamt ist die Agrarwirtschaft der größte Wasserverbraucher in Südeuropa, während die Kühlung in der Stromerzeugung die größte Belastung für die Wasserressourcen in West- und Osteuropa darstellt. In Nordeuropa ist die Fertigungsindustrie der größte Verbraucher.

Auswirkungen auf die Umwelt

Dieser Wasserverbrauch ist gut für die Wirtschaft und damit für unsere Lebensqualität. Allerdings können die lokalen Wasserressourcen in einem Gebiet mit konkurrierenden Anforderungen verschiedener Wassernutzer konfrontiert sein, was dazu führen kann, dass der Wasserbedarf der Natur vernachlässigt wird. Die Ausbeutung der Wasserressourcen kann den von ihnen abhängigen Tieren und Pflanzen schaden. Es gibt noch weitere Konsequenzen für die Umwelt.

In den meisten Fällen, nachdem das entnommene Wasser von Industrie, Haushalten oder Landwirtschaft genutzt wurde, kann das entstehende Abwasser durch chemische Einleitungen, Abwasser und Nährstoff- oder Pestizidabfluss aus landwirtschaftlich genutzten Flächen eine Verschmutzung verursachen. In Bezug auf die Energieerzeugung schadet die Wassernutzung zur Erzeugung von Wasserkraftstrom dem natürlichen Wasserkreislauf in Flüssen und Seen, während Dämme und andere physikalische Barrieren die Wanderung stromaufwärts von Fischen verhindern können.

Ebenso ist das Wasser, das zur Kühlung in Kraftwerken verwendet wird, tendenziell wärmer als das Wasser im Fluss oder in den Seen, wenn es wieder an die Umwelt abgegeben wird. Die Wärme kann sich je nach Temperaturunterschied nachteilig auf die lokalen Arten auswirken. Zum Beispiel kann es in Form einer Wärmesperre die Wanderung von Fischen in einigen Wasserläufen verhindern.

Europäische Anstrengungen zur Verbesserung der Wasserqualität

In den letzten 30 Jahren haben die EU-Mitgliedstaaten dank der EU-Vorschriften, insbesondere der EU-Wasserrahmenrichtlinie, der Richtlinien über die Aufbereitung von städtischem Abwasser und der Trinkwasserrichtlinie, erhebliche Fortschritte bei der Verbesserung der Qualität der europäischen Süßwasserkörper erzielt. Diese wichtigen Gesetzestexte untermauern das Bestreben der EU, den Zustand der europäischen Gewässer zu verbessern. Ziel der EU-Strategien ist es, die negativen Auswirkungen von Umweltverschmutzung, übermäßiger Entnahme und anderen Belastungen des Wassers deutlich zu verringern und sicherzustellen, dass eine ausreichende Menge an qualitativ hochwertigem Wasser sowohl für den menschlichen Gebrauch als auch für die Umwelt zur Verfügung steht. Die Abwasseraufbereitung und die Reduzierung der Nutzung von Stickstoff und Phosphor in der Agrarwirtschaft haben insbesondere in den letzten Jahrzehnten zu einer deutlichen Verbesserung der Wasserqualität geführt.

Einer der konkreten Erfolge ist die erhebliche Verbesserung der europäischen Badegewässer an den Küsten und in den Binnengewässern während der letzten 40 Jahre. Im Jahr 2017 wurden EU-weit mehr als 21 500 Standorte überwacht, von denen 85 % den strengsten „ausgezeichneten“ Standard erfüllten. Dank der EU-Vorschriften für Badegewässer und Abwässer konnten die EU-Mitgliedstaaten gegen die Verunreinigung der Badegewässer durch Abwässer oder aus landwirtschaftlichen Flächen abfließendes Wasser vorgehen, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Wasserökosysteme darstellen.

Trotz der erzielten Fortschritte ist die allgemeine Umweltgesundheit der zahlreichen europäischen Gewässer nach wie vor bedenklich. Die überwiegende Mehrheit der Seen, Flüsse, Meeresarme und Küstengewässer Europas hat Mühe, das Mindestziel der EU für den „guten“ ökologischen Zustand ([3]) gemäß der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen, so der jüngste Bericht der EUA European waters — assessment of status and pressures 2018.

Eine umfassendere Perspektive – Die blaue Wirtschaft

Die europäischen Anstrengungen beschränken sich nicht auf die Binnen- und Küstengewässer. Die nachhaltige Nutzung der Wasser- und Meeresressourcen steht im Mittelpunkt der neuen Initiativen der EU und der Vereinten Nationen zur „blauen Wirtschaft“ und zum „blauen Wachstum“. Hierbei geht es darum, die langfristige Funktionsfähigkeit der Fischerei oder von Wirtschaftszweigen wie dem Seeverkehr, dem Küstentourismus oder dem Meeresbodenbergbau zu sichern und gleichzeitig die geringste Belastung der Ökosysteme in Form von Verschmutzung oder Abfall zu gewährleisten. Allein in Europa bietet die blaue Wirtschaft bereits fünf Millionen Arbeitsplätze und trägt rund 550 Milliarden Euro zur EU-Wirtschaft bei. Die Europäische Kommission hat eine stärkere Governance ([4]) gefordert, um solche Wirtschaftspläne zur Verbesserung des Schutzes der Meeresumwelt zu unterstützen.

Die Zukunft der Wassernutzung in Europa – Effizienz ist der Schlüssel

Der Wasserverbrauch der meisten Wirtschaftszweige ist in Europa seit den 1990er Jahren zurückgegangen, was auf zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz zurückzuführen ist, wie z. B. bessere Wasserpreisgestaltung oder technologische Verbesserungen bei Geräten und Maschinen.

Der Wasserverbrauchsindex der EUA besagt jedoch, dass Wasser weiterhin von Branchen wie der Agrarwirtschaft und der Energiewirtschaft sowie von den Verbrauchern zu Hause genutzt werden wird, um die voraussichtlich weiter steigende Nachfrage zu decken. Der Klimawandel wird die Wasserressourcen zusätzlich belasten, und es ist anzunehmen, dass die Gefahr von Dürren in vielen südlichen Regionen zunehmen wird. Auch die demografische Entwicklung wird eine Rolle spielen. Die Bevölkerung Europas ist in den letzten zwei Jahrzehnten um 10 % gestiegen, und diese Entwicklung wird sich voraussichtlich weiter fortsetzen. Gleichzeitig ziehen mehr Menschen in städtische Gebiete, wodurch auch die städtische Wasserversorgung stärker belastet werden wird.

Bestimmte Sektoren, insbesondere der Massentourismus, werden den Wasserbedarf in einigen Regionen in Schlüsselzeiten erhöhen. Jedes Jahr besuchen Millionen von Menschen Ziele in ganz Europa, was etwa 9 % des gesamten jährlichen Wasserverbrauchs ausmacht. Der größte Teil dieser Nutzung entfällt auf Unterkünfte und Gastronomie. Es ist davon auszugehen, dass der Tourismus die Wasserversorgung vor allem auf den kleinen Mittelmeerinseln, von denen viele im Sommer ein erhebliches Touristenaufkommen verzeichnen, verstärkt belasten wird.

Das allgemeine Dilemma ist offensichtlich. Mensch, Natur und Wirtschaft brauchen Wasser. Je mehr wir aus den Quellen entnehmen, desto mehr beeinflussen wir die Natur. Außerdem gibt es in einigen Regionen, vor allem in bestimmten Monaten, einfach nicht genug Wasser. Der Klimawandel dürfte diese Wasserknappheit weiter verschärfen. Vor diesem Hintergrund müssen wir alle deutlich effizienter mit Wasser umgehen. Überdies wird uns das Einsparen von Wasser auch helfen, andere Ressourcen zu schonen und die Natur zu erhalten.



([1])            Es gibt verschiedene Instrumente und Methoden, wie z.B. den Wasser-Fußabdruck, um den Gesamtwasserverbrauch von Produkten, Ländern und Menschen zu ermitteln.

([2])            Ein Kubikhektometer entspricht 1 000 000 Kubikmetern.

([3])            Siehe Abschnitt „Das Leben unter Wasser ist ernsthaft bedroht“ der Signale. (LINK in the HTML version)

([4])            Siehe Abschnitt „Wasser in Bewegung“ der Signale.



 

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